Aus der HÖRZU, Heft 15, 1953

Ehrlich - tapfer - treu
Versuch eines jungen Autors, durch Wildwest-Schmöker zu erziehen


Die Kinderpsychologin Charlotte Bühler hat den seelischen Entwicklungsvorgang vom sechsjährigen Kinde zum 14jährigen Jungen oder Mädchen in vier Stufen eingeteilt. Im Anklang an die jeweilige Lieblingslektüre werden diese Stufen als Struwwelpeter-, Märchen-, Robinson- und Helden-Alter bezeichnet. In diesem letzten Stadium zeigen besonders Jungs (aber auch Mädchen!) einen wahren >Heldenverehrungs-Komplex<.

"Sehr richtig!" sagt vielleicht mancher Pädagoge. "Also sollten die Jugendschriftsteller versuchen, den Vierzehnjährigen Leben und Werk von Albert Schweizer nahezubringen!" - Ein faszinierender Vorschlag, zweifellos. Nur: was nützte ein als Schmöker getarntes Albert-Schweizer-Groschenheft, wenn die jugendlichen Leser darin nicht von dem fänden, was ihre Träume erfüllt?
Also werden sie weiter geschrieben und in Millionen Exemplaren weiter verschlungen, die aufregenden Wildwest-Geschichten mit ihren tollen Schießereien, mit ihren Helden und Verbrechern, mit ihren >you damned bastard< und >Hands up!<. Man schreibt sie, um damit Geld zu verdienen. Oder aber auch, um zu - erziehen!

Wie bitte? Wildwest-Schmöker als Erziehungslektüre? - Der am Niederrhein beheimatete Schriftsteller Kurt Selter vertritt ganz ernsthaft diese These. Die von ihm verfaßten Groschenhefte über die Abenteuer des "Flying Jack" sind genau so aufregend wie all die anderen Wildwester. Überall in Deutschland werden sie 'gefressen'. Der strahlende Held Flying Jack geistert durch unendlich viele Träume. Zahllose Vierzehnjährige haben ihn zum Vorbild eigener Lebensgestaltung erkoren. Und gerade das ist es, was Kurt Selter erreichen wollte. Denn 'Flying Jack' ist keine Privatperson, kein 'Rächer der Enterbten'. Er bringt die Verbrecher im Auftrag des Staates zur Strecke. Sein Lebensprinzip: "Ehrlich, tapfer, treu! Für Recht und Gesetz! Dem Schwachen helfen, das Gute fördern, das Schlechte bekämpfen."

Eine etwas zu pathetische, etwas zu kitschige Devise? Vielleicht nach Ansicht mancher Erwachsener. Bestimmt aber nicht für Vierzehnjährige. Der Erfolg von Kurt Selters 'Flying Jack' beweist es. In mehr als 400 deutschen Städten und Dörfern haben sich sogenannte 'Flying Jack'-Clans gebildet. Das sind Gruppen von Jungs oder Mädchen, die ihrem großen Vorbild nachleben wollen. Kurt Selter hat für die Arbeit dieser Gruppen verbindliche Richtlinien festgelegt. Dort heißt es unter anderem: "Jeder Angehörige einer Flying Jack Gruppe hat sich als Beschützer eines anderen Menschen zu fühlen ... Die Spekulation auf Dank für Taten im Dienste der Nächstenliebe ist eines Mitglieds nicht würdig und gilt als unehrenhaft ... Über die einzelnen guten Taten darf zu Dritten nicht gesprochen werden." Rund 5.000 Jungs und Mädchen tragen zur Zeit das Abzeichen der 'Flying-Jack' Organisation. In der Wohnung Kurt Selters stehen Dutzende dicker Ordner mit Zuschriften. In geradezu rührender Weise spiegelt sich in vielen Briefen das Vertrauen wider, das 'Flying Jack' entgegengebracht wird.

"Erreicht habe ich das alles durch meine Wildwest-Schmöker." Meint sinnend der Autor. "Sollte das den Gegnern solcher Groschenhefte nicht zu denken geben?"